JUDITH SAUPPER

Posturbane Palimpseste

David Komary, 2012

Die modellhaften Objekte Judith Sauppers verleihen der Betrachterin/ dem Betrachter auf den ersten Blick einen souveränen, gar auktorialen Beobachtungsstandpunkt. Die Miniaturisierung suggeriert eine gewisse Form der Verfügbarkeit und Formbarkeit von Wirklichkeit, als könne man im gesicherten Rahmen des Modellbauens fiktive Szenarien erdenken, erbauen und durchspielen. Doch dieser vordergründigen Souveränität der Blickregie, jener vermeintlichen Kontrollierbarkeit durch Verkleinerung, stellt Saupper ein Moment des Unheimlichen, eine prekäre Form von Wohnlichkeit, gegenüber: Die Betrachterin/ Der Betrachter sieht sich unwirtlichen, gar „posturban“ anmutenden Räumen, Architekturen und Plätzen gegenüber. Die menschenleeren Innenräume, verfallenen Gebäude und überwucherten Nichtorte lassen jegliche Hoffnung der Moderne auf eine gelungene Verbindung von Kunst, Architektur und Leben in eine Dystopie umschlagen. Die einstige Ordnung, etwa die rasterlogische Struktur der dargestellten Gebäude, ist längst vom Verfall gezeichnet und von entropischen Kräften dereguliert und überformt worden. Sauppers Arbeit handelt in diesem Sinne vom Bauen/ Erbauen, doch ebenso von dessen Risiken, dessen Unvermögen und Scheitern, ohne dabei in eindimensionaler Zivilisationskritik zu münden. Obschon der Mensch in ihren Bildräumen unsichtbar, gar getilgt scheint, bildet er doch stets das Zentrum und den Adressaten der urbanistischen Befragung. Die Künstlerin macht die Idee des Heims/ Heimeligen und der Wohnlichkeit dabei als hegemonialisierte kulturelle Konstruktion lesbar. Das (Nach)bauen und (Re)konstruieren desolater Wohn- und Lebensräume setzen die vermeintliche Binarität von Natur versus Kultur unter Anführungsstriche. Ihre Arbeit schlägt schließlich jedoch keinerlei Lösung vor, sondern bietet einen spekulativen Blick in eine imaginäre Zukunft, eine fiktive künftige Vergangenheit, die die Betrachterin/ den Betrachter mit Fragen über das aktuelle, heutige Verhältnis zwischen urbanem und natürlichem Raum konfrontiert und den eigenen Standpunkt selbst dabei auf paradoxe Weise zur Disposition stellt.